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MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive), die EU-Finanzmarktrichtlinie, wurde im Jahr 2018 europaweit als nationales Recht umgesetzt. Der bessere Schutz der Bankkunden ist das Ziel. Und weil das klassische Beratungsprotokoll nicht mehr ausreichend war, gibt es seit neuestem die Geeignetheitserklärung. Aber was verbirgt sich dahinter?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Geeignetheitserklärung löst bei Wertpapierkäufen das Beratungsprotokoll ab.
- Gegenstand ist nicht der Gesprächsverlauf, sondern das Gesprächsergebnis.
- Der Kunde kann das Gespräch und die Erklärung nicht ablehnen.
- Die Geeignetheitserklärung sieht Pflichtinformationen vor.
Geeignet oder nicht –was für Bankkunden infrage kommt
Die Geeignetheitserklärung kommt zum Tragen, wenn ein Bankkunde „Finanzinstrumente“ erwerben möchte. Zu den Finanzinstrumenten zählen unter anderem
- Aktien
- Anleihen
- Fondsanteile
- Zertifikate
Für ein Festgeld oder ein Tagesgeld greift diese Regelung nicht.
Das Beratungsprotokoll dokumentierte, worüber der Beratermit dem Kunden gesprochen hat, welche Vorteile und Nachteile die empfohlene Anlage für den Kunden hat, und welche Risiken damit einhergehen.
Bankkunden mögen gar nicht merken, dass es eine Veränderung gegenüber dem bisherigen Beratungsprotokoll gab, allerdings gibt es durchaus inhaltliche, und damit auch juristische Unterschiede.
Unterschied zum Beratungsprotokoll
Das Beratungsprotokoll dokumentierte den Gesprächsverlauf zwischen Berater und Kunde. Die Geeignetheitserklärung dagegen fokussiert sich auf das Ergebnis des Gesprächs. Deutlicher als bisher steht die Erfahrung des Kunden mit bestimmten Anlageklassen und seine Kenntnisse darüber im Mittelpunkt. Die finanziellen Verhältnisse des Kunden spielen ebenfalls eine ausschlaggebende Rolle, da der Berater erkennen muss, ob der Kunde einen finanziellen Verlust verkraftet oder nicht. Höhere Renditen preisen ein höheres Risiko ein und Unerfahrenheit kann blind machen.
Die notwendigen Angaben
Folgende Angaben muss der Kunde im Zusammenhang mit einer Geldanlage im Vorfeld seinem Berater gegenüber machen:
- Finanzielles Vermögen
- Kenntnisse und Erfahrungen
- Anlageziele
- Anlagedauer
- Zweck der Anlage
Aushändigung und Inhalt
Die Erklärung muss dem Kunden ausgehändigt werden, bevor er die Transaktion tätigt, damit er sich selbst noch einmal ein genaues Bild machen kann. Die Übermittlung kann in Papierform oder elektronisch als E-Mail erfolgen.
Der Berater muss in der Erklärung genau erläutern, weshalb er die empfohlene Anlageform als für den Kunden geeignet betrachtet. Die Aussage „ist geeignet“ ist nicht ausreichend. Vielmehr müssen die Fragen, weshalb die Anlage das Profil des Kunden trifft, und weshalb es seiner Risikobereitschaft entspricht, im Rahmen der Geeignetheitserklärung beantwortet werden.
„Ich möchte das nicht.“
Das Beratungsprotokoll und die Geeignetheitserklärung haben eines gemeinsam: Es dauert einen Moment, bis die Unterlagen ausgefüllt sind. Eine Wertpapieranlage ist heute deutlich zeitintensiver als noch vor 15 Jahren. Manchen Kunden wird der Aufwand zu viel sein, andere mögen denken, dass es die Bank nichts angeht, wie ihre finanzielle Seite abseits des dort befindlichen Depots aussieht. Dennoch lässt der Gesetzgeber hier keinen Spielraum. Die Geeignetheitserklärung muss erstellt werden, der Bankkunde kann sich dem nicht widersetzen.
Die Geeignetheitserklärung – der letzte Schritt der „Product Governance“
MiFID II hat auch die „Product Governance“ beeinflusst. Unter diesem Terminus verstehen die Banken einen verantwortungsvollen Herstellungs- und Vertriebsprozess von Finanzprodukten. Er beginnt damit, dass im Produktmanagement einer Bank keine Zertifikate kreiert werden, deren Erfolgsaussichten von vorneherein gegen Null tendieren. Er geht damit weiter, dass die Zielgruppenansprache extrem produktorientiert erfolgt. Berühmtestes Beispiel, wie das nicht geht, war der Verkauf von Lehman-Zertifikaten durch die Frankfurter Sparkasse gezielt an ältere und unerfahrene Anleger.
Im letzten Schritt, vor der Unterzeichnung der Kauforder, erhält der Kunde die Geeignetheitserklärung, aus der detailliert hervorgeht, weshalb es zulässig ist, dass der Bankberater die Wertpapierorder ausführt. Die Geeignetheitserklärung verhindert, dass es in einem Drei-Minuten-Gespräch zu einem „Schnellschuss“ kommt, der auf der Grundlage einer klassischen Falsch- oder Fehlberatung basiert.
Unstrittig ist, dass MiFID II sowohl bank- als auch kundenseitig einen enormen Mehraufwand bedeutet. Am Ende steht jedoch, dass es für Bank und Kunde einfacher und transparenter wird, weshalb welche Anlageempfehlung getroffen wurde.